„Komm in die Mannschaft“ – Wie die Bundeswehr den Frauenfußball kapert

„Entscheidend is auf’m Platz“, sagte vor vielen Jahrzehnten der Fußball-Experte Alfred „Adi“ Preißler. In Zeiten der Zeitenwende weiß man gar nicht mehr, welcher Platz gemeint wäre: Sport-Platz, Schieß-Platz, Häuserkampf-Platz?
Die Bundeswehr jedenfalls nutzt die bundesweite Aufmerksamkeit für die Frauen-Fußball-EM, um ihren Platz in der Weltrangliste der Kriegstüchtigkeit weiter zu verbessern. Ihre aktuellen fünf Video-Posts zum laufenden Turnier wurden und werden allein auf TikTok millionenfach angeschaut. Auch auf anderen Plattformen wie Instagram und YouTube rühren die Militärs ihre Kriegstrommeln. Und mit dem Ersten und dem Zweiten wird man noch besser gesehen: Zur allerbesten Sendezeit momentan, gerade auch im Kontext der Spiele des DFB-Teams von Trainer Christian Wück, läuft der Hauptspot der Kampagne bei ARD und ZDF und erreicht dort ebenfalls etliche Millionen Menschen. Dauerfeuer für alle Generationen, von Social Media bis öffentlich-rechtlich.
Es geht darum, möglichst viele junge Leute und auch viele junge Frauen zum Wehrdienst zu bewegen. Laut Medienberichten hat die Nato im Rahmen allgemeiner Aufrüstung der 32 Bündnisstaaten die Bundesregierung aufgefordert, bis 2030 sieben neue Panzerbrigaden aufzustellen. Dabei dürfte es um rund 35.000 Soldatinnen und Soldaten gehen, und zwar in Kampfverbänden und nicht in der Verwaltung. Aktuell umfasst die Bundeswehr rund 182.000 Soldatinnen und Soldaten.
Bundeswehr sucht „Frauen wie dich!“Zurück aufs Spielfeld: Im Haupt-Video der Kampagne tritt die deutsche Nationalspielerin und Sportsoldatin Cora Zicai (VfL Wolfsburg) als prominente Werbebotschafterin auf, die auch zum Turnier-Kader in der Schweiz gehört. Die 20-jährige Stürmerin spricht folgenden Text: „Wir gehören zu den Besten in Europa, das ist klar.“ Klar wird vor allem, dass es hier bei weitem nicht nur um Frauenfußball geht. Der deutsche Staat, das deutsche Kapital, das deutsche Militär: Mindestens in EU-Europa als Führungsmacht. Weiter im Text: „Unsere Technik ist einwandfrei, unser Zusammenhalt echt besonders.“ Die Deutschen also als Kulturnation, als Volksgemeinschaft. „Und auch unsere Verteidigung wird immer besser.“ Logisch, es gibt „nur ein Rudi Völler“, und es gibt auch in Deutschland nur ein Verteidigungsministerium, kein Angriffsministerium. „Aber trotzdem fehlt irgendwas“, beendet die Leistungssportlerin ihren Rollentext. Man mag sich gar nicht fragen, was da fehlen soll: Mehr Durchschlagskraft im Angriff? Mehr Treffer, um den finalen Sieg zu erzielen? Der Platz ganz oben?
Es folgt der Auftritt der Profi-Soldatin Laura W. Sie weiß, wo der Kommissstiefel und vermutlich auch der Stahlhelm drückt: „Cora, ist doch klar, unser Kader ist zu klein“, sagt jene junge Frau. Und Promi-Fußballerin Zicai verwandelt deren Steilvorlage beim Gang auf den Platz mit pathetischen Worten: „Wir brauchen Menschen, die über sich hinauswachsen, die durchziehen und an sich glauben.“ Der Clip endet, begleitet von Takten der deutschen Hymne, mit dem Slogan: „Frauen wie dich!“
Das ist Feminismus vom Schlimmsten. Wenn auch Frauen sonst in der Gesellschaft in vieler Hinsicht weiter strukturell und persönlich diskriminiert werden: Als Kanonenfutter für „Vater Staat“ sollen alle Menschen gleichrangig dienen dürfen, unabhängig von Geschlecht und Identität. Gleichberechtigung für Kriegstüchtigkeit wird hier im Doppelpass erreicht: Profi-Fußballerin Cora Zicai sagt in einem anderen Video jener Kampagne, sie könne nur den Kopf schütteln, wenn jemand sage, Frauen hätten im Fußball nichts zu suchen. Und der Ball wird im ergänzenden Video direkt zurückgespielt: Eine junge Soldatin sagt, sie könne es nicht verstehen, dass es „Menschen gibt, die immer noch den Gedanken haben, dass Frauen bei der Bundeswehr nichts zu suchen haben“. Die Botschaft ist so banal, dass sie nicht nur jeden Kommiss-Kopp erreichen dürfte: Wer für wahre Gleichberechtigung ist (und wer wäre das nicht?), muss folgerichtig Frauen a) im Fußball fördern und zugleich b) beim Militär mitmachen lassen. Ein klassischer Fehlschluss natürlich – wer A sagt, muss fast nie auch automatisch B sagen. Aber dieser Kurzschluss soll hier anscheinend der Zündfunke der Kampagne sein: Die Gleichberechtigung wäre vollendet, wenn nicht nur Männer im Kriege verheizt würden, sondern endlich auch Frauen. Die Fußballerinnen als Brücken bauende Pionierinnen, um noch mehr Frauen reif zu schießen in Richtung Kaserne, Kameradschaft und Kriegstüchtigkeit.
Die Militarisierung der Gesellschaft geht steil. Und treibt steile Stilblüten: „Komm in die Mannschaft“ lautet das Motto des Frauen-Fangens. Dass „Mannschaft“ im Militär die untersten Dienstränge bedeutet, im Ernstfall also tatsächlich das sprichwörtliche Kanonenfutter, ist dabei schon ein beträchtlicher Fehl-Schuss. Noch weiter ins Abseits stellt sich die Promi-Propaganda allerdings damit, die weiblichere Armee eben doch als „Mannschaft“ aufs Feld zu schicken. Oder eben ins Feld der Ehre: Das Heer also weiterhin als Männerbund, wo man wie immer schon seinen „Mann“ steht? Mut und Tapferkeit fürs „Vaterland“ beweisen soll? Soviel Patriarchat darf dann doch wieder sein, bei aller ins Spiel gebrachten angeblichen Aufgeklärtheit und Diversität.
„Entscheidend is auf’m Platz?“ Wenn das mal nicht – nach Ablauf von Kriegs-Verlängerung und Elf-Taurus-Schießen – dann der Platz im Lazarettbett ist. Oder nach dem endgültigen Abpfiff sogar das schattige Plätzchen auf dem Friedhof.
Berliner-zeitung